Wie geht es Benjamin Baumgartner in der Schweiz? Ein Portrait über einen Spieler der Unscheinbar wirkt und zufrieden in Bern ist.

In den letzten Jahren konnte Benjamin Baumgartner nicht in der österreichischen Nationalmannschaft spielen. Nicht, dass der Center kein Talent hätte. Im Gegenteil. Verletzungspech und andere Faktoren spielten und spielen eine Rolle.

Verschwitzt vom Auslaufen kommend steuert Benjamin Baumgartner auf mich zu. Nach dem 7:0 Sieg gegen die SCL Tigers kann er dies auch mit einem Lächeln auf dem Gesicht tun. Nichts deutet zur Zeit des Interviews darauf hin, dass für seinen Klub zwei Niederlagen folgen sollen. Eine ärgerliche gegen den EV Zug und eine klare Machtdemonstration gegen die ZSC Lions. Diese letzte Partie zeigt indes auch auf, dass beim SC Bern noch so vieles nicht gut läuft. 1:6 steht am Ende auf der Anzeigetafel.

Doch an diesem Freitagabend als ich Baumgartner zum Gespräch traf, steht für den SC Bern ein Spiel an, welches entscheidend sein könnte für den weiteren Verlauf der Saison. Würde das Team von Neo-Trainer Jussi Tapola diesen Test bestehen, könnte die Saison gut verlaufen. In der vergangenen Saison setzten die Berner einige Spiele gegen solche Gegner am Tabellenende in den Sand. Nicht nur gegen den Kantonsrivalen die SCL Tigers aus Langnau. Einem Dorf im Emmental, zirka 40 Minuten ausserhalb der Stadt Bern. Am Ende der 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und zu Beginn der 80er Jahre waren die Langnauer, zusammen mit dem EHC Biel und dem SC Bern die Dominatoren des Schweizereishockey. Keines der anderen Teams konnte in deren Phalanx vordringen. Die Uhrenstädter aus Biel, die „Bauern“ aus dem Emmental und der Hauptstadtklub aus Bern spielten um den Titel.

Doch das sind Tempi Passati. Der SC Bern ist in den letzten vier Jahren tief gefallen. Der Klub, der gerne mit Bayern München verglichen wird, dümpelte am Tabellenende herum. Kein Wunder, dass der SC Bern immer wieder neue Trainer verpflichtete. So auch dieses Jahr. Auf die neue Saison übernahm Jussi Tapola das Zepter an der Bande. Er gewann in den letzten Jahren, alles, was es im Europäischen Eishockey zu gewinnen gibt. Die Champions Hockey League Trophäe war in seiner Hand mit Tappara Tampere. Gleichzeitig gewann der Finne auch die Liiga in Finnland. Nun soll er den angeschlagenen Bären wieder auf Vordermann bringen. Und mittendrin, statt nur dabei, ist Benjamin Baumgartner.

„Vor einem Jahr musste ich mich in das Team hereinkämpfen. Diesen Sommer begann der Kampf um den Platz erneut. Nun versuche ich auf diesem Ergebnis, dass ich im Team bin, aufzubauen.“  Auf dem Eis sieht man von diesem Kampf indes nicht viel. Zusammen mit seinen Flügelstürmern Joona Luoto und Marco Lehmann entwickelt Baumgartner im Spiel nach vorne viel Druck. Wie harmonisch ist diese Linie? „Joona kam erst auf den Saisonstart zu uns. Wir sind uns am Kennenlernen. Mit Marco Lehmann habe ich beim HC Davos schon zusammengespielt. Durch seine Schwierigkeiten letztes Jahr musste er die ganze Saison aussetzen. In dieser Zeit versuchte ich für Marco da zu sein und ihm zu helfen. Wir haben zusammen auch das eine oder andere unternommen. Zwischen uns ist eine Freundschaft, die verbindet. Dies merken wir auch auf dem Eis.“

An diesem Abend gelingt Benjamin Baumgartner eine gute Leistung. Nach knapp zwei Minuten assistiert er dem Neuzugang Julius Honka zur Führung. Geschickt nimmt vor dem Treffer Joona Luoto, ebenfalls ein Neuzugang, Torhüter Luca Boltshauser die Sicht zur Führung der Berner. Nach fünf Minuten beendet Luoto mit dem 3:0 den Arbeitstag des Langnauer Schlussmannes. Die Berner ihrerseits machten weiter Druck und liessen den Gästen aus dem Emmental keine Chance das Spiel noch für sich zu entscheiden.

In der 36. Minute hatte der am Zell am See geborene Center eine gute Möglichkeit. Mit guter Spielübersicht startete er in der eigenen Zone und schloss mit einem Schuss auf das Tor der Gäste ab. Doch  Stéphane Charlin verhinderte den Treffer von Baumgartner. Diesen holte der Österreicher jedoch nach. Er trifft in der 40. Minute zum 5:0 aus Sicht der Berner. Die mit über 15`000 Zuschauern gefüllte Halle jubelte begeistert. Was kann ein Einheimischer Eishockeyfan gegen den Kantonsrivalen mehr freuen als Tore und Siege?

Wie würde Baumgartner die Schweizer Liga einem österreichischen Fan beschreiben? „Die Schweizer Liga ist eine der besten der Welt. Mit der neuen Regelung sechs Ausländer zuzulassen wurde sie noch spektakulärer und noch besser. Einen direkten Vergleich mit der Österreichischen Liga kann ich nicht ziehen. Ich habe zu wenig Spiele aus dieser Liga gesehen. Spannend wäre indes ein Vergleich in der Champions Hockey League. Dies wäre für mich auch sehr aufschlussreich.“

International hat Benjamin Baumgartner noch keine grossen Stricke zerrissen. Und doch kommt er beim Thema Nationalmannschaft ins Schwärmen.  „Roger Bader kümmert sich um uns. Er ruft hin und wieder an und fragt nach, wie es geht. Egal ob Du in Österreich, in der Schweiz oder sonst wo auf der Welt spielst.
Hin und wieder kommt er auch ein Spiel im Stadion schauen. Dann treffen wir uns nach dem Spiel und tauschen uns aus. Für den österreichischen Adler zuspielen ist etwas vom Besten, was ich mir als Spieler denken kann. Es ist etwas vom schönsten das es gibt. Leider konnte ich die beiden vergangenen Jahren aus Verletzungsgründen nicht dabei sein. Dennoch hoffe ich auf ein Aufgebot. Ich freue mich immer wieder für die Nationalmannschaft auflaufen zu dürfen.“

Dass beim SC Bern der Sohn von Roger Bader, Thierry Bader spielt, ist für ihn kein Problem. Lächelnd meint der Center, dass dies gut für ihn sei. „Dann kommt Roger mehr vorbei und sieht mich mehr spielen. Das kann doch auch ein Vorteil sein?“ fragt er rhetorisch zurück. Wie recht er doch damit hat. Ob er denn keine Angst habe, dass Mannschaftinternas den Weg zum Nationaltrainer finden würden. „Nein, das habe ich nicht. Was wir in der Kabine besprechen, bleibt in der Kabine“, sagt der Stürmer bewusst. „Ich kenne ja Thierry seit ich in Davos war.“

Wie beim 1:0 hatte Baumgartner auch beim sechsten Treffer die Schaufel im Spiel. Über Julius Honka, Marco Lehmann und Luoto fand die Scheibe den Weg in das Netz. Der bei den Vienna Capitals ausgebildete Center sah den freistehenden Honka und spielte die Scheibe zu diesem.

Wie stuft Baumgartner den 7:0 Sieg gegen die Emmentaler ein? Würde er diesen als aussergewöhnlich beurteilen? „Dies kann ich nicht beurteilen,“ sagt er. „Ich bin erst im zweiten Jahre hier. Das letzte Jahr waren zu viele Auf und Abs in den Spielen. Daher weis ich nicht, ob dies etwas aussergewöhnliches ist. Aus meiner Sicht haben wir ein solides und gutes Spiel gezeigt. Wir waren sehr kompakt und konnten sehr solide spielen. Die Möglichkeiten, die wir hatten, konnten wir ausnutzen.“

Am nächsten Tag fuhr sein Team in die Innerschweiz. Der Gegner diesmal: Der EV Zug. Die Zuger dominierten die Meisterschaft in der Baisse des SC Bern und gewannen diese in den Jahren  2020/21 und 2021/22 ehe sie letztes Jahr vom Genève-Servette HC entthront wurden.  Ein eingespieltes Team wartete auf den SC Bern. Das Match wurde erneut durch einen Assist in der 12. Minute von Baumgartner eröffnet. Wieder vollstreckte Luoto zur Führung der Berner. Dass es am Ende nicht zum Sieg reichte, lag nicht am Center. Er zeigte eine gute Leistung und musste sich nichts vorwerfen lassen.

Am Dienstag traf der Stürmer dann auf seinen Landsmann Vinzenz Rohrer, der bei den ZSC Lions spielt. Der Mannschaft von Baumgartner gelang nichts. Und den Löwen aus Zürich alles. Diese konnten den lockeren 6:1-Sieg nach Hause fahren. Wie auch im Spiel gegen den EV Zug kann man Beni Baumgartner keinen Vorwurf machen. Mit einer Plus/Minus-Statistik von -1 stand er gut da, in einem Team, das von Beginn an all die Fähigkeiten aus dem Derby-Sieg vermissen liess.

Wie das ganze Team hat auch der Österreicher noch einen langen Weg in dieser Saison vor sich.  Er, der doch eher unscheinbar wirkt, kann in Bern noch vieles Bewirken. Wenn denn sein Vertrag am Ende dieser Saison verlängert wird. Dies kann er mit guter Leistung auf dem Eis beeinflussen. Baumgartner, der Unscheinbare, ist ein Teamspieler. Eine Eigenschaft, die das Angeschlagene „Bayern München“ des Eishockeys, der SC Bern, brauchen kann. Denn für Tore sind andere zuständig. Auch wenn Baumgartner der eine oder andere Torjubel in Zukunft zu gönnen ist.